Rund um die Krankmeldung oder Krankschreibung müssen Arbeitnehmer eine Reihe von Fristen und Regeln einhalten. Sonst droht eine
Abmahnung. Der Gesetzgeber will so den
Betrieb vor Missbrauch schützen. Aber auch Arbeitgeber sollten die Regeln für eine korrekte Krankmeldung kennen.
Auch der fleißigste Mitarbeiter wird irgendwann einmal krank. Wenn die Grippe zuschlägt, müssen sich kranke Arbeitnehmer an feste Regeln halten. Andernfalls droht eine Abmahnung. Der Gesetzgeber sorgt in
§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für Klarheit und schützt die Unternehmen vor Missbrauch. Dem erkrankten Arbeitnehmer erlegt das Gesetz dabei
zwei Pflichten auf:
- Anzeigepflicht (Krankmeldung, voraussichtliche Dauer angeben)
- Nachweispflicht (Abgabe eines ärztlichen Attests)
Auch der Arbeitgeber muss diese Pflichten auseinander halten. Verstößt der Arbeitnehmer gegen eine dieser Auflagen, ist das eine
abmahnfähige Pflichtverletzung. In der Abmahnung muss der Arbeitgeber die Art der Pflichtverletzung genau benennen, sonst kann sie der Arbeitnehmer anfechten. Sehen wir uns die Regelungen zu den Pflichten des Arbeitnehmers genauer an.
Anzeigepflicht
Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber unverzüglich melden, dass er krank ist und dadurch ausfällt. Außerdem muss er sagen, wie lang er voraussichtlich fehlen wird. Als Mitteilung genügt ein
Anruf oder eine E-Mail. Auch Freunde, oder Verwandte dürfen die Nachricht überbringen. Nur wenn der Arbeitnehmer sicher sein kann, dass der Chef bereits von der Krankheit erfahren hat, kann er die Anzeigepflicht vernachlässigen, erklärt die Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein. Davon könnte der Arbeitnehmer beispielsweise ausgehen, wenn er einen Arbeitsunfall erlitten hat und deshalb nicht arbeiten kann.
Nachweispflicht
Die
Nachweispflicht regelt die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt, im Volksmund "gelber Zettel" genannt. "Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen." So regelt es das
EFZG. Nach Ablauf der drei sogenannten Karenztage muss der Arbeitgeber ein ärztliches Attest erhalten, das ihm sagt wie lange der Arbeitnehmer voraussichtlich fehlen wird.
Der Arbeitgeber kann schon früher ein
ärztliches Attest verlangen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss am vierten Krankheitstag beim Arbeitgeber vorliegen. Der Arbeitgeber kann den Schein selbst abliefern, per Post schicken oder eine Vertrauensperson damit beauftragen.
Wichtig: Der Arbeitnehmer muss alles unternehmen, dass der gelbe Zettel fristgerecht im Unternehmen vorliegt. Geht die Bescheinigung dennoch zu spät ein, dürfen ihm dann keine Nachteile entstehen.
Attest ab dem ersten Tag
Nach
§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG darf der Arbeitgeber schon früher einen gelben Zettel verlangen. Viele Unternehmen schreiben ihren Mitarbeitern dies im Arbeitsvertrag vor. Der Arbeitgeber kann aber auch im Einzelfall von einem bestimmten Mitarbeiter eine frühere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen. Allerdings darf er das nicht willkürlich oder in schikanöser Absicht tun, rät die IHK Schleswig-Holstein.
Rechtliche Konsequenzen muss der Arbeitgeber allerdings nicht fürchten. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitgeber nach freiem Ermessen und ohne sachliche Begründung auch im Einzelfall schon am ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest verlangen kann (Az. 5 AZR 886/11). Wenn der Arbeitgeber ein Attest vorgelegt bekommen möchte, kann der Arbeitnehmer also nicht "Nein" sagen.
Die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Arbeitnehmer seinem Chef vorlegen muss, darf keine Angaben über die
Art der Krankheit enthalten. Der Arzt muss in einem Vermerk darauf hinweisen, dass er die Krankenkasse des Arbeitnehmers informiert, wenn der Betroffene Kassenpatient ist. Das darf der Arbeitgeber Zweifelt der Arbeitgeber trotz des ärztlichen Attests daran, dass der Mitarbeiter tatsächlich krank ist, kann er bei der Krankenkasse eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen verlangen.
Beispiel: Ein Mitarbeiter hat für einen bestimmten Tag um Urlaub gebeten, bekam ihn aber nicht gewährt. Wenn er dann erkrankt, kann der Arbeitgeber begründete Zweifel anmelden.
Bestehen dann immer noch Zweifel daran, dass der Mitarbeiter tatsächlich krank ist, dann beauftragen Unternehmen im Einzelfall einen
Privatdetektiv. Findet der heraus, dass der Arbeitnehmer nicht krank ist, dann muss er zu allen anderen Folgen dem Arbeitgeber auch noch die Rechnung für den Detektiv erstatten. Der Arbeitgeber geht mit diesem Schritt jedoch ein großes Risiko ein.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese
Praxis für rechtswidrig erklärt (Az. 8 AZR 1007/13). Eine
Überwachung von kranken Mitarbeitern darf ein Arbeitgeber nur beauftragen, wenn er konkret begründete Verdachtsmomente anführen kann. Im schlimmsten Fall bleibt das Unternehmen auf der Rechnung sitzen und muss dem Arbeitnehmer noch Schadenersatz zahlen.
Folgen einer versäumten Krankmeldung
Kommt ein Arbeitnehmer seinen Pflichten nicht nach, kann das eine
Abmahnung nach sich ziehen. Dabei muss der Arbeitgeber genau beschreiben, welche Pflicht der Arbeitnehmer verletzt haben soll: Die Meldepflicht oder die Nachweispflicht. Nur mit der richtigen Beschreibung der Pflichtverletzung ist eine Abmahnung rechtskräftig. Legt der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, dann kann ihn das die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kosten.
Ohne gelben Schein, kann der Arbeitgeber die
Zahlung verweigern (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EFZG). Legt der erkrankte Mitarbeiter allerdings später ein Attest vor, dass seine Arbeitsunfähigkeit nachträglich beweist, dann muss der Arbeitgeber rückwirkend den Lohn für den gesamten bescheinigten Zeitraum nachzahlen.
Kündigung bei Krankheit
Eine Krankheit gewährt dem Arbeitnehmer
keinen Kündigungsschutz. Auch dann darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter fristgerecht kündigen. Wehrt sich der Gefeuerte jedoch dagegen, schauen Gerichte besonders genau hin, warnt Rechtsanwalt Jens Ferner im Internet (
www.ferner-alsdorf.de). Zieht der Arbeitnehmer vor Gericht, dann argwöhnen die Arbeitsgerichte eine
Maßregelkündigung, die nach § 612a BGB unrechtmäßig ist, schreibt Ferner. Das gilt sogar während der Probezeit. So hat das Arbeitsgericht Berlin 2014 eine Kündigung während Krankheit in der Probezeit als Maßregelkündigung für ungültig erklärt (Az. 28 Ca 19104/13).
Eine
vorgetäuschte Krankmeldung oder falsches Verhalten während der Krankheit kann allerdings durchaus ein Kündigungsgrund sein, warnt das Bundesarbeitsministerium in einer Handreichung zum Thema. Die Kündigung droht demnach, wenn
- der Arbeitnehmer gegen seine Pflicht zu gesundheitsförderndem Verhalten verstößt.
- der begründete Verdacht besteht, dass der Arbeitnehmer die Krankheit nur vorgetäuscht hat.
Ein begründeter Verdacht liegt beispielsweise dann vor, wenn der Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit einer
Nebentätigkeit nachgeht.
Krankmeldung im Ausland
Wenn ein Arbeitnehmer während einer
Auslandsreise erkrankt, muss er sich mit umfangreicheren Melde- und Nachweispflichten befassen als daheim. Er muss dann seinen Chef so schnell wie möglich benachrichtigen. Er muss ihm mitteilen, wie lange er voraussichtlich krank sein wird und unter welcher Adresse er zu erreichen ist. Darüber hinaus muss der Erkrankte seine Krankenkasse in Deutschland informieren.
Achtung! Entstehen dem Arbeitnehmer durch die Mitteilung an den Arbeitgeber Kosten, so kann er sich die vom Arbeitgeber ersetzen lassen (§ 5 Abs. 2 EFZG). Darunter fallen beispielsweise Gebühren für eine aus dem Hotel gefaxte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Anders als bei Krankheit im
Inland brauchen Arbeitnehmer im Ausland immer ab dem ersten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von einem Arzt. Generell gelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Ärzten im Ausland als gleichrangig mit denen deutscher Ärzte. Wenn es im Urlaubsland kein entsprechendes Formular gibt, können erkrankte Urlauber beispielsweise ihren Arzt am Urlaubsort von seiner
Schweigepflicht entbinden und um eine formlose Bescheinigung bitten.
Eine
formlose Bescheinigung kann aber nur dann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzen, wenn daraus eindeutig hervorgeht, dass der behandelnde Arzt den Unterschied zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit verstanden hat und den Patienten tatsächlich für arbeitsunfähig hält. Andernfalls reicht die Bescheinigung nicht aus, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Az. 5 AZR 499/96).
Rückwirkende Krankschreibung: Darf der Arzt die Arbeitsunfähigkeit zurückdatieren?
Wie wir gesehen haben, geht es nicht um Krankheit oder Gesundheit, sondern um
Arbeitsunfähigkeit. Natürlich wird ein Arzt auch einen vergrippten Patienten krankschreiben, selbst wenn er sich eigentlich noch ins Büro schleppen könnte. Schließlich will niemand, dass er die ganze Belegschaft ansteckt.
Aber was ist, wenn der Kranke so krank ist, dass er nicht einmal zum Arzt gehen kann? Um Missbrauch rund um die Krankschreibung vorzubeugen, haben die Krankenkassen sogenannte
Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) erlassen. Die schreiben vor, dass der Arzt die Krankschreibung erst ab dem Tag ausstellen darf, an dem die Behandlung begonnen hat, an dem ihn der Arbeitnehmer also aufgesucht hat.
Laut § 5 Abs. 3 AU-RL soll die Arbeitsunfähigkeit "für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden." Der Paragraph liefert jedoch auch zugleich die
Ausnahme: "Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig.“
Achtung:
- Eine rückwirkende Krankschreibung setzt voraus, dass der Patient dem Arzt plausibel erklären kann, warum er in den zurückliegenden Tagen weder zur Arbeit noch zum Arzt gehen konnte. Gelingt ihm das nicht, gilt die Arbeitsunfähigkeit als zu spät oder nicht abgegeben - mit allen arbeitsrechtlichen Folgen.
- Eine rückwirkende Krankschreibung muss der Arbeitnehmer nicht nur dem Arbeitgeber vorlegen. Er muss auch die Krankenkasse informieren.
- Eine rückwirkende Krankschreibung für mehr als drei Tage darf der Arzt nicht ausstellen. Tut er es doch, muss er zumindest mit kritischen Nachfragen von der Krankenkasse rechnen.
Die Folgebescheinigung
Dauert die Krankheit an, muss der Patient erneut einen Arzt aufsuchen. Der stellt eine
Folgebescheinigung aus. Endet die erste Krankschreibung an einem Freitag, so muss der kranke Arbeitnehmer nicht zwingend noch am gleichen Tag zum Arzt gehen. Die sogenannte Folgebescheinigung muss aber am nächsten Werktag nach dem letzten Tag der vorherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden. Es reicht also, wenn der Kranke seinen Arzt erst am Montag aufsucht.
Quelle:
Dejure.org, IHK Schleswig-Holstein, Kanzlei Hensche (Hensche.de), Arbeitsrecht.org, Arbeitsrechte.de
letzte Änderung W.V.R.
am 23.06.2024
Autor(en):
Wolff von Rechenberg
Bild:
© panthermedia.net / olinchuk
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18.08.2016 11:07:34 - Rebellin
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